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  • beatekampen

Das alles ist Jerusalem!

Jerusalem, eine Stadt mit rund 900.000 Einwohnern, Schmelztiegel der drei Weltreligionen, immer wieder Mittelpunkt des Nahostkonflikts und seit 5 Wochen nun mein Zuhause. Diese Stadt hat mich in den vergangenen Wochen immer wieder mit ihren verschiedenen Gesichtern fasziniert.

Verlasse ich meine Wohnung, liegt direkt davor die Himmelfahrtkirche. Diese und das anliegende Krankenhaus ließ Kaiser Wilhelm II. Anfang des 20. Jahrhunderts für die bereits vorhandene evangelische Gemeinde in Jerusalem bauen. Für mich ist diese Kirche das Erkennungsmerkmal meines Zuhauses hier. Besonders aus der Altsadt kann man oft den Kirchturm erkennen und so immer zeigen, wo man arbeitet und wohnt.

Auf unserem Compound hat man in Richtung Osten eine unglaubliche Aussicht. Man sieht das tote Meer, somit den tiefstliegende See der Erde und die Berge Jordaniens. Vor einem liegt die West Bank, die Grenzmauer und ein großes Minaret. Besonders schön ist die Aussicht zum Sonnenaufgang wie auf dem Foto.

Verlässt man nun unseren Compund gelangt man, wie uns auf unserer ersten Führung gesagt wurde, "in die richtige Welt". Auf der starkbefahrenen Straße tümmeln sich Autos. Auf dem gegenüberliegenden Fußballplatz hört man Kinder und Jugendliche. Von dort machen wir uns meist zum naheliegenden Gemüsehändler auf oder zum Bus in Richtung Altstadt.

Auf dem Weg zur Bushaltestelle kreuzen wir immer die sogenannte Anarchiekreuzung. Hier herrscht oft nicht Rechts-vor-Links, sondern "Wer hubt am lautesten?". Aber ich muss sagen, diese Regel funktioniert erstaunlich gut. An der Bushaltestelle wartet man dann je nach Glück eine bis 15 Minuten auf einen Bus, der einen dann für 4,70 NIS (etwas mehr als einen Euro) die 1,5km bergab und dann wieder bergauf nördlich der Altstadt bringt.

Nördlich der Altstadt hinter der Bushaltestelle liegt das arabische Viertel Bab a-Zahara. Zwischen den vielen, sehr unterschiedlichen Geschäfte befindet sich auch das Büro meiner Arabischlehrerin. Einmal pro Woche lerne ich dort mit einer Kleingruppe die arabische Schrift, Grammatik und viele Wörter, die ich langsam immer mehr im Alltag nutzen kann.

Umgeben von Stadtmauern liegt die Jerusalemer Altstadt. Sie ist unterteilt in vier Viertel, das Jüdische, das Muslimische, das Armenische und das Christliche. Meistens nutze ich den Eingang durch das Damaskus Tor, von dem ich ins Muslimische Viertel gelange. Bereits vor dem Toreingang sitzen mehrere Frauen, die dort frisches Obst anbieten. Hinter dem Tor beginnt dann eine reisige Auswahl aller möglicher Waren, die jeder Verkäufer oft leidenschaftlich an den Mann bringen möchte.

Hier liegt der سوق Suk, Arabisch für Markt. Viele kleine teils dunkle Gassen sind über Tag voll gefüllt von Menschen, Touristen sowie Einheimische. Durch die vielen Obst-, Gemüse-, Gebäck- und Gewürzhändler bildet sich ein ganz spezifischer Altstadtgerüchemix. Laut wird verhandelt, wie viel nun die Weintrauben kosten sollen. Die Händler, die sich an der Straße gegenübersitzen, erzählen sich gegenseitig Geschichten. Zwischendrin ist da noch die Reisegruppe, die aus der ganzen Welt kommen könnte, und mittendrin ich, die nur versucht ihre Freunde in der Altstadt zu besuchen. Deswegen habe ich mich für die Fotos früh morgens auf den Weg gemacht, als alle Geschäfte noch geschlossen waren.

Im jüdischen Viertel bin ich sehr gerne am Platz vor der Hurva-Synagoge. Hier hat man etwas Ruhe vom Altstadtgetümmel, da es endlich mal etwas Platz gibt. Es laufen viele orthodoxe, säkulare oder reformierte Juden und Jüdinnen umher, die man an unterschiedlicher Kleidung, Frisur oder Kopfbedeckung erkennt. Viele gehen in die Synagoge, in der aktiv die Tora studiert und diskutiert wird.

Das christliche Viertel liegt im Nordwesten. Die Hauptattraktion ist eindeutig die Grabeskirche. Diese Kirche ist wirklich immer voll von Touristen, sodass ich sie mir im Winter mal genau anschauen werde, wenn weniger Touristen hier sind.

Im Süden der Altstadt liegt das Armenische Viertel. Von dort geht es durch das Zions Tor zum Zions Berg, auf dem auch die Dormitio Abtei liegt. Läuft man diesen Berg hinuter gelangt man in die Weststadt Jerusalems.

In diesem Teil der Stadt befinden sich mehrere große Parks, Grünanlagen und Wohnhäuser.

Südwestlich der Altstadt liegt die First Station. Das ist ein alter Bahnhof, der nun als Kultur- und Freizeitort dient. Cafes und Bars umschließen das alte Gleisbett, das durch Holzbretter angedeutet wird. Hinter der First Station liegt die German Colony. Dort haben sich im 19. Jahrhundert deutsche Auswanderer niedergelassen. So kommt es, dass man heute noch an einigen Häusern deutsche Bibelverse über den Haustüren sieht.

Von der Weststadt geht es dann wieder in die Altstadt. Dieses mal durch das Yaffa Tor. Nach ein paar Metern ist man so aus der weiten westlichen Welt wieder im Altstadtgetümmel.

Entlang der Christian Quarter Road gelangt man zum New Gate und wieder aus der Altstadt hinaus. Von dort geht es zur Yaffa Streat, der Straße an der man uns meist am Wochenende trifft. Hier sind auch viele Cafes, Restaurants, Bars und Clubs.

Da vom Freitagabend bis zum Samstagabend Shabbat ist, ist am Donnerstagbend, bevor er anfängt, oder am späten Samstagabend nach Shabbat am meisten los in der Stadt. Besonders am Samstagabend ist es spannend zu beobachten, wie sich langsam die Straßen immer mehr füllen, die Geschäfte langsam wieder öffnen und irgendwann auch die Straßenbahn wieder fährt.

Entlang der Schienen der Straßenbahn laufe ich dann wieder in Richtung Damskustor. Die Straßenbahn Jerusalems umfasst zwar nur eine Linie, kennzeichnet aber selbstbewusst alle Bahnen mit der L1.

Nach knapp 5 Stunden geht es nun wieder hoch auf dem Ölberg zur Auguste, unser Cafe. Hier von der Bushaltestelle am Damaskus Tor sieht man wieder unseren Kirchturm.

Jerusalem ist einfach eine so vielseitige Stadt, die ich versuche in den nächsten 10,5 Monaten noch so viel näher kennenzulernen. Der ständige Wechsel zwischem der jüdisch-israelischen und der arabischen Kultur und den vielen anderen weltweiten Einflüssen machen Jerusalem zu einer so besonderen Stadt.


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