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  • beatekampen

Bums Bums Corona!

Ja, die Corona-Pandemie schafft es gerade weltweit große Dinge zu verändern und schaffte es auch in meiner kleinen Welt den Plan der nächsten Monate komplett umzuwerfen. Wir haben nun Anfang Mai und ich bin schon seit dem 20.03.2020 wieder in Deutschland, aber ich fange mal an wie es dazu kam.


Anfang März gab es die ersten Fälle in Israel und Palästina. Israel reagierte schnell mit Einreisebeschränkungen für Reisende aus vom Virus stärker betroffenen Ländern. In der Woche vom ersten bis zum achten März waren gerade meine Eltern mit sechs weiteren Freunden zu Besuch bei mir. Wir hatten wirklich Glück, dass sie noch alle kommen konnten und auch noch ohne Probleme ausreisen konnten. Als es auch in der Westbank die ersten Fälle aufgrund infizierter Touristen gab, riegelten sich betroffene Orte wie Bethlehem schnell ab. So konnte ich mit meinen Eltern schon nicht mehr die Geburtskirche in Bethlehem und andere Orte in der Westbank besichtigen. An einem wirklich abenteuerlichen Freitag hat meine liebe Reisegruppe aber dennoch etwas Westbankluft schnuppern können. Als wir an diesem Freitag zum Toten Meer gefahren sind, wurden wir in der Steinwüste am Toten Meer vom Regen überrascht. Um von Jerusalem nach Ein Bokek, ein Badeort am südlichen Ende des Toten Meeres, zu gelangen, fährt man mit einem israelischen Bus durch die Westbank, wird aber an den Checkpoints nicht kontrolliert. Die Badeorte sind dann auch wieder israelisch. Auf unserem Weg im Bus entlang des Toten Meeres schüttete es dann wie aus Eimern und das Wasser floss in Strömen aus den Bergen der Steinwüste Richtung Totes Meer. Wir stiegen glücklicherweise ohne Regen in Masada, ungefähr auf halber Strecke am Ufer des Toten Meeres, aus, um uns dort einen Nationalpark anzuschauen. Der hatte leider aufgrund der Wetterlage nur beschränkt geöffnet, sodass wir uns dann bald wieder auf den Weg zum Badeort nach Ein Bokek machten. Dies klappt normalerweise ohne Probleme mit dem Linienbus, doch an der Bushaltestelle erfuhren wir, dass die Straße entlang des Toten Meeres wegen der Regenfälle gesperrt war und keine Busse mehr kommen würden. Nun stand ich mitten im Nirgendwo mit acht emsländischen Touristen, die mich anschauten und fragten „Und jetzt, Beate?“. Vor uns an der Bushaltestelle machten es dann zwei andere Touristen vor, Autos anhalten, die vom Nationalpark zurück fuhren. So hielt ich schnell das nächste Auto an und erklärt meine Lage. Es antwortete ein netter, älterer US-Amerikaner und sagte, er habe zwei Plätze frei. Ich daraufhin: „Ja, wir sind neun Leute.“ Entgegen meiner Erwartungen war mein Gegenüber ganz ruhig und sagte, dass er in einer Gruppe mit drei Autos hier sei und wir wohl irgendwie all unterkriegen würden. Da fiel mir dann ein riesiger Stein vom Herzen. Ich rief meine Gruppe und wir quetschen uns zusammen auf die Rückbänke der Autos oder gar in den Kofferraum. So kamen wir alle nach Ein Bokek und konnten noch im Totem Meer baden gehen und kurz unsere Sorgen vergessen. Dann hieß es, wir machen uns wieder auf den Rückweg. Ich schaute bei Google Maps nach der nächsten Busverbindung und fand kein Ergebnis. Tja, da ist mir klar geworden, dass es mittlerweile schon nach 16.00 Uhr war und der Shabbat bei den Israelis schon angefangen war. Also kamen wir mit einem regulären Linienbus nicht mehr nach Jerusalem. Und wieder stand meine Mutter vor mir „Und jetzt, Beate?“. Aber ein Ass hatte ich noch im Ärmel, denn ich wusste, dass arabische Sammeltaxen auch immer nach Jerusalem fahren würden. So begaben wir uns auf der Suche nach einem solchen Taxi und fanden sogar noch ein Sammeltaxi. Nach kurzem Verhandeln stiegen wir ein und waren erleichtert noch nach Hause zu kommen. Im Taxi waren nur Araber und unsere leicht verzweifelte Reisegruppe. Unser Fahrer wollte ganz selbstverständlich auf die Straße entlang des Toten Meeres abbiegen und war selber überrascht, als er sah, dass diese immer noch gesperrt war. Aber es ging dann doch weiter. Per Google Maps verfolgte ich unseren Standpunkt und plötzlich schaute ich aus dem Fenster und sah, dass wir einen Checkpoint passierten. Scheiße, da waren wir dann in der Westbank. Das bedeutete, dass diese Sammeltaxen, wenn sie wieder nach Jerusalem fahren, am Checkpoint wieder kontrolliert werden würden. Aber wir Deutsche durften zu diesem Zeitpunkt ja nicht mehr nach Israel einreisen. Tja, dann folgten zwei Stunden, in denen ich in diesem Kleinbus saß und einfach nur hoffte, dass wir irgendwie über die Grenze kommen. Irgendwann kamen dann Straßenschilder, die den Weg nach Bethlehem anzeigten. Ich wusste, dann wieder so ungefähr, wo wir gerade waren. Wir fuhren an Bethlehem vorbei und zielten auf den Beit Jala Checkpoint, ein kleinerer Autocheckpoint in einem Vorort von Bethlehem. Es war mittlerweile schon etwas dunkel geworden und der Regen prasselte wieder vom Himmel. Wir waren das einzige Auto am Checkpoint und ein Soldat kontrollierte desinteressiert den Fahrer und winkte den Bus dann zügig durch. Ich habe bis heute keine Ahnung, warum nicht der Rest des Busses kontrolliert wurde, aber so erleichtert, war ich lange nicht mehr. So fuhren wir dann noch eine Stunde durch Ostjerusalem, weil der Fahrer gefühlt jeden Fahrgast einzeln nach Hause gebracht hatte, bis wir endlich in der Altstadt rausgelassen wurden. Was ein Tag!


In den nächsten Tagen kamen täglich neue Auflagen vom israelischen Staat. Ab dem 05. März musste auch unser Café Auguste schließen. Diese Reglung kam vom Krankenhausleiter auf unserem Compound, da man das Infektionsrisiko fürs Krankenhaus mit seinen immunschwachen Krebspatienten möglichst gering halten wollte. Kurz darauf kam dann das Verbot vom israelischen Staat sich nicht mit mehr als zehn Personen zu treffen. Aus heutiger Sicht klingt das schon nach einem ziemlichen Luxus: ein Treffen mit zehn Personen. Außerdem mussten alle, die in den letzten Tagen in der Westbank oder im Ausland waren in Quarantäne. So waren die ersten meiner Freunde dann schon für zwei Wochen in Quarantäne. Einige Freiwillige aus der Westbank flüchteten noch vor der Grenzschließung nach Jerusalem, andere zogen sich in ihren Einsatzstellen in die Isolation zurück. Ab dann fuhren auch schon die ersten nach Hause. Für mich war ganz klar, nach Deutschland vorzeitig zurückzugehen, ist keine Option. Wir hatten endlich Zeit für Dinge, die im Arbeitsalltag nicht möglich waren. Zusammen mit unserem Hausmeister George habe ich die Tische, Stühle, Bordsteine, den Zebrastreifen und das Terassengeländer gestrichen. Wir putzten den Kreuzgang der Erlöserkirche und planten, wie wir die Isolation die nächsten Wochen gestalten wollen. Klar war die Situation etwas ungewiss, aber ich hatte mich auch schon auf die intensive Zeit mit meinen Mitfreiwilligen gefreut und auf den Frühling bei uns im wunderschönen Garten des Auguste-Compounds. Am Wochenende des 14. und 15 März kamen dann immer mehr neue Regelungen des israelischen Staates. Wir stellten uns auf eine Ausgangssperre ein und beschlossen am Montag, den 16. März noch einmal nach Tel Aviv an den Strand zu fahren, solange dies noch möglich war. Es war ein wunderschöner Tag. Der Strand war voll, die Sonne schien und wir fingen an, an unserer Sommerbräune zu arbeiten.


Plötzlich klingelte mein Handy. Ein Anruf aus Berlin. Ja, das war dann der Anruf, der alles veränderte. Das Bundesministerium empfahl dringendst alle Freiwilligen nach Deutschland zurückzuholen, da der internationale Flugverkehr immer eingeschränkter wurde und man im Krisenfall nicht mehr nach Deutschland käme. Dann hieß es am Freitag, den 20.März geht der Flieger nach Deutschland. Ja, da standen wir fünf dann alle komplett fassungslos am Strand und konnten die Situation nicht so ganz begreifen. Die ersten Tränen flossen, doch irgendwie schafften wir unseren Gefühlmix aus Wut, Traurigkeit, Ungewissheit und irgendwie auch ein bisschen Vorfreude auf das Wiedersehen mit allen in Deutschland erstmal wegzustecken und den letzten Tag in Tel Aviv so gut es geht zu genießen. Wir gingen noch einmal in 2020 im Mittelmeer baden, holten uns am nächsten Kiosk eine Flasche Sekt und genossen den Sonnenuntergang an der Promenade Jaffas.


Am Abend kamen wir dann wieder in Jerusalem an und beschlossen einmal in unserer Himmelfahrtkirche zu übernachten. Das stand nämlich noch auf meiner To-Do-Liste für meinen Freiwilligendienst. Am nächsten Tag hatten noch einigen Geschäfte in Jerusalems Altstadt geöffnet, sodass wir noch schnell die letzten Souvenirs kaufen konnten. Die Stadt war dann schon leer gefegt von Touristen, kaum einer war auf der Straße, es regnete und alles wirkte traurig. Nach und nach kamen dann auch Nachrichten von Freiwilligen anderer Organisationen, dass auch für sie der Abflug bevorstehe. Und zurückblieben die Einheimischen und die paar Deutschen, die noch in der Region arbeiten. Diet, ein Gemeindemitglied, das schon ungefähr 50 Jahre im Heilligen Land lebt, sagte, dass es ja wie im Golfkrieg sei, alle würden das Land verlassen. Es gab auch die ersten Spekulationen, dass die Grabeskirche geschlossen werden solle, das geschieht wirklich nur in den größten Notsituationen. Und die hat das Land schon viele gesehen, doch eine Schließung der Grabeskirche auf unbestimmte Zeit gab es in der Geschichte erst einmal. 1349, das Jahr in dem die Pest ausbrach und auch Jerusalem lahmlegte. Aber auch dies war dann Ende März der Fall.


Wir sprachen mit uns bekannt gewordenen Shopbesitzern, die nun vor einer ungewissen Zukunft stehen. Jerusalem ist eine Stadt, die vom Tourismus lebt, wie soll das nur funktionieren. Aber in mir war immer noch eine Menge Optimismus. Der Freiwilligendienst galt zu diesem Zeitpunkt nur als unterbrochen. Von den Leuten, von denen ich mich verabschiedete, sagte ich immer, „Wir sehen uns Anfang Juni wieder!“ Tja, Pusteblume, da lag ich wohl wirklich falsch. In den letzten zwei Tagen musste dann gepackt werden, aber viel zu tun gab es sonst auch nicht, da es schon eine Ausgangsperre gab. Irgendwann waren die Koffer dann voll, mein Zimmer zwar nicht wirklich leer, aber mehr ging dann nicht. Wir verbrachten noch -nicht ganz legal- etwas Zeit mit anderen Freiwilligen und teilten unser Gefühlchaos und unsere Ungewissheit. Am Freitagmorgen stand dann ein kleines Abschiedsfrühstück an und wir machten uns zu siebt auf den Weg zum Flughafen. Dort gab es dann noch ein großes Wiedersehen. Viele Freiwillige, die ich in meiner Zeit kennengelernt habe, traf ich am Flughafen wieder. Die Stimmung war ganz gut und ich freute mich auch ein bisschen auf Zuhause.


Nach einer ausführlichen Sicherheitsbefragung und eine gesonderten Durchsuchung meines Gepäckstückes, die eine Stunde dauerte, bei der mein Laptop aufgeschraubt wurde und meine einzelnen Gegenstände anscheinend stark verdächtigt wirkten, konnte wir dann alle zusammen in die Wartehalle des Flughafens. Auf der Anzeigetafel standen nur ein paar Flüge für die nächsten Tage. Viele Geschäfte hatten geschlossen und immer mehr Passagiere versteckten sich hinter eine Maske. Dann ging es nach Berlin, wo meine Familie schon auf mich wartete. Ich bekam ein T-Shirt von meiner Schwester mit dem arabischen Schriftzug „Ana fi il beit“, was bedeutet „Ich bin zuhause“. Ja, unter meinem Zuhause verstehe ich mittlerweile nicht nur das beschauliche Fresenburg, sondern auch Jerusalem. Eine Stadt und dessen Menschen, Besonderheiten und vielen bunten Ecken mir in den letzten sieben Monaten so sehr ans Herz gewachsen sind. In den nächsten Wochen wieder in Deutschland realisierte ich dann immer mehr, das meine Zeit in Jerusalem nun wirklich vorbei ist. Fünf Monate standen noch vor mir, Monate in denen wir noch viel geplant hatten. Ich hoffe, dass ich bald, auch wenn nicht in diesem Jahr, in die Region zurückreisen kann, um noch ein paar Dinge von meiner To-Do-Liste streichen zu können und um mich noch vernünftig von meiner Zeit dort verabschieden zu können.

Trotz des Vorzeitigen Endes bin ich unendlich dankbar für die sieben Monate, die ich hatte, die mir niemand nehmen kann und in denen ich vieles und viele kennengelernt habe. So viele spannende Menschen sind mir begegnet, wunderbare Freunde habe ich gefunden und einen kleinen Einblick wurde mir in das Leben der Menschen in Israel und Palästina geschenkt. Ich konnte vielleicht nur leicht an der Oberfläche des besonderen Lebens dort kratzen, doch allein das hat ich lernen, schätzen und verstehen lassen.

Ich freue mich jetzt schon wahnsinnig auf die nächste Reise nach Jerusalem!


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