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"Come and see, go and tell!"

Liebe Grüße mal wieder aus Jerusalem. Ich melde mich hier auch mal wieder. Fast drei Monate bin ich nun schon hier. Mein Umfeld hier ist mir schon so vertraut, doch trotzdem wird es hier einfach nicht langweilig. In Jerusalem ist nun mal immer was los!

„Come and see, go and tell!” Dieser Satz stammt vom lutherischen Priester Fursan, der aus Amman, Jordanien stammt, hier in Jerusalem arbeitet und uns in einem Vortrag beim Johanniter Hospiz an seiner Lebensgeschichte Teil haben lassen hat. Aufgewachsen in Jordanien war er immer in der christlichen Minderheit. An seiner Schule mit über 1200 Schülern war er der einzige Christ. Dort hat er gelernt über seinen Glauben aufzuklären und sein Anderssein wertzuschätzen. Nun lebt er in Jerusalem und arbeitet in der arabischen- lutherischen Gemeinde, die ihren Sitz zusammen mit der deutschsprachigen Gemeinde in der Erlöserkirche hat. Fursan hat auch über die aktuelle Lage der arabischen Christen in der Westbank und in Jerusalem gesprochen. Sie leben hier in einer starken Minderheit von ca. 2%. In Jerusalem selbst ist der prozentuale Anteil sogar noch geringer. Trotz der immer kleineren Anzahl an arabischen Christen hier, möchte Fursan nicht die Hoffnung verlieren. So forderte er seine Zuhörer auf, von ihnen zu erzählen, denn auch das hält die Gemeinde der arabischen Christen aktiv. Für mich war dies der Ansporn mal wieder einen Blogeintrag zu schreiben. Denn neben Fursan habe ich in letzter Zeit sehr viele super spannende Menschen kennenlernen dürfen. Durch ihre verschiedenen Erzählungen, Ansichten, Meinungen lerne ich immer mehr über dieses Land, den Konflikt und all das, was man hier auf den ersten Blick nicht versteht. ich nenne jetzt einfach ein paar Beispiele.

Auf einem Vortrag mit dem Namen „Antisemitismus, Antizionismus, Israelkritik- drei verschiedene Paar Schuhe“ erklärte uns ein Israeli mit deutsch-jüdischen Vorfahren, wie diese drei Kritiken zusammengehören, aber auch auseinandergehalten werden müssen. Im Verlauf des Abends wurde dann auch über die aktuellen Koalitionsgespräche Israels diskutiert. Dabei sagte er, dass das Problem des israelischen Staates eines sei, welches der französische Staat schon 1789 erkannt habe, nämlich das Staat und Religion nicht zusammen gehören.

Die innere Gespaltenheit Israels, bedingt durch die vielen verschiedenen jüdischen Strömungen, griff auch die deutsche Botschafterin aus Tel Aviv in einem Vortrag über das deutsch-israelische Verhältnis auf. Bei diesem Abend, an dem viele Fragen von den Zuhörern gestellt werden konnten, wurde viel über mögliche Lösungsvorschläge des Konflikts zwischen Israel und Palästina diskutiert. Dabei erzählte sie, dass dieses Streben nach der Lösung des Konflikts hier etwas typisch Europäisches ist. Ein Großteil der Israelis und Palästinenser selbst sind im Konflikt an einer Stufe angekommen, wo sie zur Zeit nicht auf der Suche nach einer Lösung des Konflikts sind, sondern sich die aktuelle Lage nur so "angenehm" wie möglich machen wollen. Das zeigte sich zum Beispiel daran, dass es in der ganzen Wahlwerbung bei keiner israelischen Partei, um die Palästinenser in Westbank und Gaza ging.

Und daraus ergibt sich dann einen gewisse unterschwellige Präsenz des Konflikts im Alltag hier. Dazu eine kleine Geschichte, die mir hier erzählt wurde. Eine Deutsche, hat mit ihrem israelischen Mann einen 8-jährigen Sohn. Er geht in Jerusalem zur Schule und möchte sich am Nachmittag mit einem Klassenkameraden treffen. Als er seine Mutter danach fragt, sagt sie „Nein“. Sein Klassenkamerad wohnt nämlich in einer israelischen Siedlung. Die Gebiete, auf denen die Siedlungen stehen gehören zum palästinensischen Gebiet, werden von Israel besetzt und völkerrechtlich illegal bebaut. Für die Eltern des Klassenkameraden aber sind sie die einzige Möglichkeit in Jerusalem zu wohnen. Wohnungen in Jerusalem selbst sind teuer, die subventionierten Wohnungen am Stadtrand Jerusalems aber vergleichsweise günstig. Dazu sagte aber die Mutter, dass nur weil ich kein Geld habe, um mir ein Auto zu kaufen, ich mir ja auch nicht einfach ein offensichtlich geklautes Auto kaufen kann, nur weil es günstiger ist. Diesen Vergleich im Bezug auf die Siedlungspolitik und den Umgang damit hier m Alltag fand ich sehr schön.

Jerusalem ist wirklich ein Ort voller besonderer Menschen. Zum Glück habe ich noch ganze neun Monate, um weiter in diesem spannenden Land eine Menge zu erleben und zu lernen.

Ich würde sagen das Foto spricht für sich: Mir gehts super!


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